FEUERLAND

 
Bericht über eine Reise nach Ushuaia und Wanderung in Feuerland
Im Januar 1998

 
INHALT

Flughafenstreß in Buenos Aires 
Eine unvergeßliche Taxifahrt 
Landeanflug Ushuaia (Bild)
Die meisten gehen von hier los
Kein Weg
Die Wendung 
Biberdämme (Bild)
A sign of humanity 
Am Bibersee 
Der 2. Tag - Dauerregen 
Der Beavon Pass (Bild)
Lago Kami (Lago Fagnano) 
Der 3. Tag - Hochwasser 
Biberdammquerung  (Bild)
Bis zur Hüfte im Wasser (Bild)
Der rettende Bibderdamm 
Trip Tips Ushuaia 


 
Flughafenstreß in Buenos Aires

Unser Transatlantikflug nach Buenos Aires hat 4 Stunden Verspätung. Das ist gerade etwa die Zeit die wir als Aufenthalt in Buenos Aires hätten, vor unserem Weiterflug nach Ushuaia. Zudem müssen wir noch den Flughafen wechseln. Vom Südwesten Buenos Aires in den Nordosten, ca. 40 km. Hektik ist angesagt um den Anschlußflug nicht zu verpassen. 
   Durch die gesamte Ankunftshalle des internationalen Flughafens Ezeiza bilden sich lange Schlangen. Hinten anstellen würde ewig dauern. Also kreuzen wir durch den vorderen Bereich der Schlangen und bleiben - als es ein wenig Gedränge gibt - einfach darin stehen und haben damit eine halbe Stunde gespart. Am Zoll müssen wir noch den halben Rucksack auspacken, obwohl wir doch noch ziemlich gepflegt aussehen. Beim Rückflug hätten wir ja Verständnis.

Eine unvergeßliche Taxifahrt

Im Abholerbereich werden wir von hundert Taxifahrern begrüßt und umzingelt. Wir wimmeln sie erst mal ab und erkundigen uns nach den preiswerteren Bussen. Doch zum nationalen Flughafen George Newbury fährt keiner. Also müssen wir doch ein Taxi nehmen. 35 US$ verlangen die Chauffeure. Das ist uns zu viel. Wir finden einen, der sich auf 25US$ runterhandeln läßt. Als wir sein Auto sehen wissen wir warum, als er es zu starten versucht erst recht. Die Karre ist runtergekommen und ruckelt nur so. Ist uns aber egal. Komfort muß heute nicht sein, Hauptsache wir kommen rechtzeitig zum nationalen Flughafen.

Nach 5 km Fahrt auf der Stadtautobahn läßt die Geschwindigkeit des Taxis nach und fährt noch maximal 60 km/h. Beim Gasgeben schleift die Kupplung. Oh je - ob das noch reicht. Eine Viertelstunde versucht der Argentino zu beschleunigen, aber es geht nichts. Doch dann läuft das Auto wieder fast normal und nimmt das Gas an. Jetzt beginnt der hagere Taxifahrer zu rasen. Im dichten 2spurigen Verkehr fährt er meistens in der Mitte und weicht nach links oder rechts aus, je nachdem wo die Lücke ist und wo es schneller geht. Der Abstand zum Vordermann ist minimal. Ein Meter ist manchmal schon viel. 
   Alison, hintensitzend, kann schon gar nicht mehr nach vorne schauen, ohne daß ihr schlecht wird. Ich sitze vorne und kann nicht wegschaun. An die Tauglichkeit der Bremsen darf ich erst gar nicht denken. Ich versuche mich zu überzeugen, daß der Argentino stets Herr der Lage ist. Nach einer unvergeßlichen ¾ stündlichen Fahrt erreichen wir gerade noch rechtzeitig den Flughafen George Newbury. Wir checken ein und gehen direkt ins Flugzeug. Das nenne ich Timing.

Landeanflug Ushuaia

Vor unserem Aufbruch nach Südamerika warnte uns noch ein Geschäftskollege über den Landeanflug in Ushuaia, der südlichsten Stadt Argentiniens. Das Flugzeug falle buchstäblich vom Himmel, so der Kollege. Für die Landung sei zwischen den Bergketten, die aus dem Beagle Kanal aufragen nicht viel Platz.

Voller Anspannung sitzen wir in der Maschine von Aerolineas Argentinas und freuen uns mal auf eine etwas ausgefallenere Landung. Doch wir werden enttäuscht. Die Landebahn in Ushuaia wurde verlegt und um 90 ° gedreht, so daß der Anflug parallel zum Beagle Kanal bei normalem Wetter inzwischen ein Kinderspiel ist. Die Gepäckausgabe im neuen, in Holzbauweise erstellten Terminal geht flott. 

Außerhalb Terminals bläst uns der frische Wind entgegen. Erste Regentropfen bestätigen uns die Gore-Tex Kleidung nicht umsonst mitgenommen zu haben.

Mit dem Taxi fahren wir nach Ushuaia, mieten uns im sehr sauberen Lineras ein und gehen sofort weiter ins Zentrum um unsere 6tägige Wandertour, den Lago Kami Trail zu organisieren. Bei der Tourist Information bekommen wir gleich den ersten Dämpfer. Zum Schutz der Tierwelt sei der besser zugängliche (westliche) Teil des Lago Kami Trails gesperrt. Wir überlegen 2 Alternativen. Entweder die Sperre ignorieren oder einen anderen mehrtägigen Trail zu finden. Wir entscheiden uns für letzteres. Gutes Kartenmaterial über die Region um Ushuaia ist allerdings nicht zu kriegen. Im Club Andino erfahren wir über eine Alternativtour, die den östlichen Teil des Lago Kami Trails einschließt und total wild sein soll. Eine geographische Karte hierüber gibt es allerdings nicht. Wir müssen mit der großmaßstäblichen Karte vom Lonely Planet Reiseführer (Trekking in the Patagonian Andes) durch die Wildnis finden.

Die meisten gehen von hier los

Ein Sammeltaxi, das zum Lago Kami fährt, nimmt uns zum Einstiegspunkt mit. Dem Fahrer versuchen wir mitzuteilen wo er uns etwa absetzen muß. Wir sind nicht sicher ob er uns verstanden hat. Wenn man nur ein paar Worte Spanisch spricht ist das nicht so einfach.

Gespannt verfolgen wir die Landschaft und warten auf ein breites Tal. Nach 15 Minuten hält der Fahrer den Toyota-Bus an und meint, die wenigen die in dieser Gegend wandern, gehen von hier los. Wie er darauf kommt ist uns nicht klar - vor uns liegt dichter nasser Urwald. Er wird schon Recht haben, denken wir uns. Wir sind uns jedoch einig, vor dem richtigen Tal zu stehen.

Kein Weg - ab ins Dickicht

Also los ins Abenteuer. Einen Weg können wir von hier nicht ausmachen. Unser Plan ist es, uns auf die andere Talseite durchzuschlagen und dann so lange entlang zu gehen, bis wir am zweiten Quertal sind. Als Zwischenstation peilen wir eine Lichtung im dichten niedrigen Wald an. In der gleichen Flucht ist eine markante Bergspitze. Der Kompaß sagt Nordost.

Voller Tatendrang stürzen wir uns in das Dickicht. Die Bäume werden immer dichter, der Boden immer nasser. Unsere zuvor ins Visier genommene Bergspitze sehen wir vor lauter Bäumen nicht mehr. Macht nix. Einfach weitergehen. Nach einer halben Stunde hören wir einen LKW. Ob wir schon auf der anderen Seite sind und es hier auch eine Straße gibt fragen wir uns. Dann hätte es bestimmt einen einfacheren Einstieg gegeben. Es kommt uns auch recht schnell vor. Wir sind gewiß Powerhiker. Doch dieses Tempo trauen wir uns selbst nicht zu. Mal sehn was der Kompaß sagt. Erstaunliches. Richtung Südwest. Jetzt wissen wir auch welche Straße es ist. Genau jene von der wir gestartet sind. Die letzte halbe Stunde war also fast umsonst - wir sind vielleicht 200 m weit gekommen.

Die Wendung

Wir wenden und marschieren weiter, mit dem ungewissen Gefühl  wo wir letztendlich rauskommen werden. Nicht nur das Dickicht, sondern nun auch ein Bach lahmen unser Tempo. Ich komme trockenen Fußes rüber, Ali rutscht auf einem Ast aus und taucht ins seichte Wasser ein. Die nassen Füße sind schnell vergessen, denn wir erreichen nach anderthalb Stunden eine Lichtung. Ob es die Angepeilte ist wissen wir nicht. Ist aber mal egal. Endlich sind wir aus dem dichten Gestrüpp raus und können uns neu orientieren. Die feuchten Grashäufen auf denen wir mit unseren 18 kg (Uwe) bzw. 14 kg (Alison) schweren Rucksäcken bei jedem Auftreten 20 cm einsinken sind vergleichsweise angenehm. Zuerst bewegten wir uns vorsichtig auf den Grasshäufen - es könnte ja auch ein Moor irgendwo versteckt sein. Doch nach einer kurzen Gewöhnungsphase geht’s flott und vor allem zielgerichtet voran. Die Orientierung ist nunmehr problemlos. Die nächsten Hindernisse die uns das Vorankommen erschweren sind ein 50 m langer Biberdamm, den wir auf der Dammkrone überqueren und wiederum ein noch ruhiger Bach, den wir trockenen Fußes durchqueren können.
 


 
Biberdämme

Nach mehr als 3 Stunden erreichen wir ein Quertal, von dem wir glauben, daß es zum Beaven Pass hochführt. Auch wenn es nicht das Tal sein sollte für das wir es halten, ist es uns mal egal, denn alle Täler führen mehr oder weniger direkt zum Lago Kami. Anfangs folgen wir einem flachen Bach und freuen uns über das gute Fortkommen. Als der Bach dann in einer sich vergrößernden Einkerbung verschwindet müssen wir an den Berghang ausweichen. 

Nun läßt unser Tempo schlagartig nach. Dichte Sträucher die am steilen Hang infolge der Schneelast erst horizontal und dann vertikal aus dem Boden wuchsen behindern uns ungemein. Entweder bleibt man mit den Beinen in den biegsamen federnden Ästen hängen oder man hängt mit dem Rucksack an einem Ast ein und kommt nicht vorwärts. So was von mühsam. Wir wünschen uns einen normalen Wanderweg oder einen Wildwechsel . Wie froh sind wir über jeden der vielzähligen Biberdämme entlang des Weges. Denn im Umkreis von bis zu 50 m sind die Gehölze flachgelegt. Selbst Bäume mit einem Durchmesser von guten 30 cm haben die Biber abgenagt. 

Die Biber leben hier ohne natürliche Feinde. Sie wurden von den ersten Einwanderern aus Nordamerika mitgebracht und haben sich seither ungestört ausgebreitet.

A sign of humanity

Obwohl wir schon anderthalb Stunden das Tal hochwandern sind wir uns nicht sicher ob es zum Beaven Pass führt. Völlig unverhofft sehen wir im schwammig weichen grasigen Boden einen Schuhabdruck. Wir nennen es ein "Sign of humanity". Also sind wir nicht die ersten, die sich durch die Wildnis mühen. Vielleicht ist sogar jemand direkt vor uns - doch wir sehen und begegnen niemanden. Der Weg kann aber nicht so falsch sein. Von nun an stoßen wir jede Viertelstunden auf einen Schuhabdruck. Es bestätigt uns immer wieder, den am wenigsten beschwerlichsten Weg durch das Gestrüpp genommen zu haben. Wir sind "hot on the trail". 

Am Bibersee

Bei einer Meereshöhe von 700 m sind wir über der Waldgrenze. Wir sind erleichtert. Die Orientierung ist nun wesentlich einfacher und das Vorwärtskommen mit weniger Kraft möglich. Ach, ist das ein gutes Gefühl. Vorbei an einem gigantischen Biberdamm mit anderthalb Meter hoher Dammkrone gelangen wir zum Beaversee auf 800 m Höhe (wir nennen den See so, da wir den tatsächlichen Namen nicht wissen). Der Wind pfeift uns gewaltig um die Ohren und kalt ist es. Über dem Ende des Sees ist ein Sattel. Das muß der Beavon Pass sein. Wir schlagen unser Lonely Planet Trekkingbuch auf und vergleichen das Bild mit dem was vor uns liegt. Ja. Wir sind richtig. Über den Paß müssen wir morgen drüber.

Auf der Suche nach einem weniger stürmischen Zeltplatz entdecken wir entlang des Sees einen dünnen Faden. Irgend jemand hat hier wohl eine Streckenvermessung durchgeführt. Vielleicht begegnen wir auf unserer Tour einem Lonely Planet Vermessungstrupp. Das wär ja was. Leider blieb’s beim Gedanken.

Das Zelt im steinigen Untergrund des Seeufers zu verankern ist nicht so einfach. Wir sichern die Heringe und Schnurabspannungen mit mächtigen Steinen, damit es unser Tunnelzelt nicht davonnimmt. Zum Raussitzen und Kochen im Freien ist es zu kalt und zu windig. Wir verziehen uns in den Vorraum unseres Zeltes und kochen dort unsere, von Deutschland mitgebrachten Spaghetti.

Der 2. Tag - Dauerregen

Die Nacht war sehr stürmisch. Doch unser Zelt hat standgehalten. Die Temperaturen waren erträglich, sie lagen um den Gefrierpunkt. Beim Frühstück überlegen wir uns lange, ob wir umkehren oder weitergehen. Die Querfeldeinwanderung von gestern war zwar eine Abwechslung zu ausgetretenen Wanderwegen, insgesamt war es jedoch zu strapaziös. Doch den Rückweg möchten wir nicht antreten, ohne über den Pass geschaut zu haben. Vielleicht können wir von dort auch schon den Lago Kami sehen. Vielleicht wird ist das Gelände hinter dem Pass besser begehbar. So steigen wir schnell über einfaches, vegetationsloses Terrain zum 1000 m hohen Beavon Pass auf.

Der Beavon Pass

Den Lago Kami können wir vom Pass aus noch nicht sehen. Doch scheint das Tal vor uns gut begehbar zu sein. Ein Bach mäandert zwischen mehreren kleineren Seen. Wir entscheiden uns ins Tal hinunter zu wandern - es sieht nicht zu anstrengend aus. Anfangs kommen wir im vegetationsarmen Gelände schnell voran. Nach der Waldgrenze verlangsamt sich unser Tempo in den dichten Hecken wieder. Doch die "Heckenstrecken" sind heute kürzer als gestern. 
Auf dieser Seite des Passes hat es noch mehr und noch größere Biberseen. Gut für unser Vorankommen.

Um die Mittagszeit beginnt es zu regnen. Kein Problem, schließlich haben wir unsere Gore-Tex Kleidung dabei. Noch immer ist uns kein Mensch begegnet. Schuhabdrücke sehen wir auch nicht mehr. Es ist wahrscheinlich eine Weile her, daß hier jemand gewandert ist. Wir sehen nicht mal einen Biber. Wenn wir uns einem Bibersee nähern hören wir ab und zu etwas eintauchen. Aber zeigen tut sich uns keiner dieser genialen Baumeister.

Nun verjüngt sich das Tal, der Bach, an dem wir entlang gegangen sind stürzt über Kaskaden nach unten und gräbt sich dann in einer Schlucht ein. Da können wir nicht hinterher. Wir müssen an die steile Bergflanke ausweichen. Vorsichtig gehen wir vorwärts, um nicht an irgend einem Ast hängen zu bleiben um dann in eine brenzlige Situation zu kommen.

Lago Kami (Lago Fagnano)

Plötzlich, am Ende der Bergflanke, erblicken wir den Lago Kami. Es ist ein gutes Gefühl, endlich das Ziel vor Augen zu haben. Wir schätzen im Laufe des nächsten Tages dort anzukommen. Es regnet immer noch. Der Wald wird dichter, die Orientierung wird wieder schwieriger. Doch bergab zu gehen ist nicht so falsch. 2 Stunden nach dem Erblicken des Lago Kami scheint uns der See nicht viel nähergekommen zu sein. Von einer Anhöhe aus sehen wir gut auf das vor uns liegende Gelände. Nur Wald. Den Bach sehen wir nicht mehr. Ob es dort unten auch so anstrengend ist, durch den dichten feuchten Wald zu kommen? Es spricht nichts dagegen, daß es besser sein soll. Wir sind nun anderthalb Tage von der Zivilisation weg. Niemand weiß von unserer Wanderung zum Lago Kami. Wenn hier, im nowhere von Feuerland, einem von uns etwas passieren sollte, würde es 2 Tage dauern bis der andere Hilfe herangeholt hat. Im Vergleich zu Reinhold Messners oder Arved Fuchs Unternehmungen ist dies nichts. Doch was soll der falsche Ehrgeiz. So überragend ist der Lago Kami (auch Lago Fagnano genannt) nicht, daß wir unbedingt hätten dort sein müssen. Wenn wir da so an die türkis blauen Seen mit kalbenden Gletschern in Patagonien denken - das ist was anderes. 

Am Spätnachmittag entscheiden wir umzukehren. Wir wandern noch eine Stunde zurück bis wir bei einer geeigneten Stelle zum Campen ankommen. Im Dauerregen bauen wir rasch das Zelt auf und verkriechen uns darin. So langsam beginnt die Kleidung feucht zu werden.


 
Der 3. Tag - Hochwasser

Wie hassen wir das Gefühl, mitten in der Nacht aufzuwachen und die Regentropfen auf die Zeltplane plätschern zu hören. Die Hoffnung, am nächsten Tag gutes Wetter zu haben wird dadurch gänzlich begraben.

Auch am Morgen regnet es natürlich noch. Am liebsten würden wir gar nicht aus dem Zelt gehen, viel weniger noch weiterwandern. Aber einen Tag lang hier zu bleiben ist zu lange. Wenn es dann nicht zu regnen aufhören wird, würden wir wieder vor der gleichen Entscheidung stehen. Also werden wir weiter zurückgehen Richtung Ushuaia.

Beim Schöpfen des Teewassers im Bach stellen wir fest, daß der Wasserspiegel um gut 30 cm seit dem vorangegangenen Abend gestiegen ist. Das kann ja noch interessant werden. Auf dem Hinweg haben wir einige Bäche durchquert. Hoffentlich sind die nun nicht zu tief und zu reißend.

Der Rückweg geht wesentlich schneller als der Hinweg. Die am Vortag anstrengenden Abschnitte umgehen wir weiträumig. Außerdem müssen wir nicht lange nach einer geeigneten Stelle suchen, um einen Bach trockenen Fußes zu durchqueren. Unsere Wanderstiefel sind inzwischen völlig durchnäßt. Also durchwaten wir die Bäche geradeaus, ohne lange Umwege.

Biberdammquerung

Wir kommen wieder an eine Stelle, an der sich der Bach eingegraben hat und über die wir hinweg müssen. Dies scheint uns am einfachsten über einen 3 m hohen Biberdamm möglich. Sehr vertrauenserweckend sieht der Damm nicht aus. Das Wasser strömt mit lautem Rauschen auf der gesamten Dammhöhe nur so durch das Geflecht von Zweigen und Ästen. Ob er standhält? Hinab zur Dammkrone führt ein vom Biber ausgetretener Weg, auf dem er seine abgenagten Gehölze heranschleift. Das Rauschen des Wassers wird immer lauter. Vorsichtig, um nicht über einen der herausstehenden Äste zu stolpern gehen wir los. Der Damm ist erstaunlicherweise fest. Von weitem sah das Bauwerk des Bibers irgendwie wacklig aus. Problemloser als wir dachten kommen wir zur anderen Seite.

Am Beavon Paß kommt der Schneeregen horizontal. Eine ungemütliche Gegend heute. Wir verweilen nicht lange und steigen ab. Diesmal wählen wir eine andere Route. Wir haben Glück. Der Wald ist hier nicht so dicht. Zudem ist es bergab in den Baumhecken wesentlich einfacher.
 

Bis zur Hüfte im Wasser

Schnell sind wir im Tal. Nun verlangsamen die Mooshäufen wieder unser Tempo. Wenigstens haben wir unser Tagesziel vor Augen. Jetzt müssen wir hier nur noch irgendwie hier rauskommen. Wir überlegen zur ca. 1 km entfernten anderen Talseite hinüber zu gehen.

Doch was uns zwischendrin erwartet ist uns nicht klar. Ein undurchquerbarer Bach, ein Sumpf oder tiefer Schlamm? Wir entscheiden uns den gleichen Weg zurückzugehen, den wir gekommen sind.

Bald kommen wir an einen reißenden Bach. Wir finden die Stelle an der wir den Bach auf dem Hinweg trockenen Fußes überquert haben. Auf der anderen Seite muß ein Fahrweg sein. Wir gehen langsam ins Wasser. Als ich knietief drin bin und noch kein Ende der Tiefe abzusehen ist gehen wir zurück, um nach einer flacheren Stelle zu suchen. 5 Minuten gehen wir dem Ufer entlang. Uns geht schon im Kopf umher hier einen oder 2 Tage zu verweilen, bis die Strömung des Baches nachläßt. Lebensmittel haben wir noch für mindestens 3 Tage - das wäre kein Problem. Doch dann finden wir eine breite Stelle mit geringerer Fließgeschwindigkeit. Wir gehen zusammen durch, Alison ist fast bis zur Hüfte im Wasser, bei mir reicht’s bis zu den Oberschenkeln.

Der rettende Biberdamm

Auf einem alten nicht mehr befahrenen Waldweg, den wir auf der Hinwanderung 2 mal überquerten, hoffen wir schnell aus dem Urwald herauszukommen. Wir genießen den breiten, teilweise noch gut erhaltenen Weg. Kein Einsinken und kein ständiges Orientieren. Jetzt haben wir das schlimmste hinter uns - denken wir. Kurz vorm Ende unseres Rückweges müssen wir einen weiteren Bach überqueren. Von weitem sieht es aus, als ob der alte Fahrweg über einen mit Holzplanken befestigten Erddamm auf die andere Seite führt. Von nahem stellen wir fest, daß ein Teil des Erddammes weggeschwemmt ist. Muß das sein, so kurz vor Schluß?

Unsere Rettung ist mal wieder ein Biberdamm. Gleich neben dem Man-made-Damm war ein Biber fleißig und hat einen mindestens 50 m langen und bis zu 3 m hohen Damm erbaut. Über und durch diesen schießt das Wasser mit lautem Tosen. Daß die Dämme stabil sind um rüberzugehen haben wir schon erprobt. Aber ob dieser bei dem großen Wasserandrang standhält wissen wir nicht. Schließlich hat es den Erddamm auch fortgeschwemmt.

Die Überquerung ist nicht so einfach als beim letzten Biberdamm. Die Äste sind dicker und mit weniger Schlamm vermischt. So gehen wir auf dem glitschigen Holz vorsichtig voran, wie auf Eiern. An einem kahlen Baum festhaltend legen wir einen Stop ein. Das Wasser strömt tosend unter unseren Wanderstiefeln durch das Geäst. Nur kein falscher Schritt sonst liegen wir drunten. Wie froh sind wir um unsere Wanderstöcke, ohne die das Balancieren schwer gewesen wäre. Total erleichtert erreichen wir das 50 m entfernte gegenüberliegende Ufer und harren der Dinge, was uns noch alles bevorsteht bis wir an der "rettenden" Straße sind. Doch dies war unser letztes Abenteuer auf dem Beaver Trails.

Nach 8 Stunden Wanderzeit sind wir um halb sechs an der Straße. Bis nach Ushuaia sind es noch ca. 15 km, also 3 Stunden zu gehen. Wir haben keine Lust mehr weiterzugehen und trampen am Straßenrand. Gleich das erste Auto, ein argentinischer Straßenbauingenieur nimmt uns mit. Da ich auch Bauigel bin haben wir gleich ein Thema.

In Ushuaia erfahren wir von Überschwemmungen aufgrund der starken Regenfälle der letzten Tage. Uns wundert’s nicht. Wir haben das schlechte Wetter satt und möchten so schnell wie möglich nach Norden, ins trockenere Patagonien kommen. Wir ergattern am nächsten morgen einen der letzten Plätze in einem Bus nach Puntas Arenas über Rio Grande. Es scheint, daß jeder vor dem schlechten Wetter in Ushuaia flüchtet.

Trip Tips Ushuaia und Feuerland
  • Kostenloser Internetzugang und eMail in einem Photoladen in der Hauptstraße
  • Gepäckbeleg aufbewahren, die Label an den Gepäckstücken werden beim Verlassen des Flughafens kontrolliert
  • Es ist schwierig gute Informationen über Wanderungen zu erhalten, also am besten im voraus auskundschaften
  • Busverbindungen nach Rio Grande, Puntas Arenas etc, vorreservieren
  • Frühstückspension Lineras (US$ 45 pro Nacht für 2 Personen)
  • Neueste Ausgabe eines Reiseführers beschaffen (in der Nachfolgeversion unseres Lonely Planet "Trekking in Patagonia" war bereits eine Alternativroute ausgewiesen)
  • Regenkleidung und warme Kleidung mitnehmen
  • In Ushuaia, wie auch in ganz Argentinien kann mit US$ gezahlt werden (Umtauschkurs 1:1)
  • Chile ist wesentlich billiger als Argentinien, also wenn Du von Chile aus einen kurzen Trip nach Argentinien machst, Lebensmittel in Chile einkaufen
  • Für kurze Reisen lohnt es sich Campingfood aus Deutschland mitzunehmen. Wir hatten Frühstück, Mittagsnack und Abendessen für ca. 18 Tage dabei. Auf eine Wanderung haben wir immer nur das notwendige mitgenommen; den Rest (auch Kleider) haben wir in einer Pension oder bei einem Reiseunternehmen gelassen.

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Copyright 1998 Uwe Kazmaier, erstellt am 04.10.1998